Neophyten - Selbstzerstörer

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Als harmonisch lässt sich das Verhältnis der auf den Bildern korrelierten Instanzen kaum bezeichnen, obwohl sie Eigenschaften austauschen, sich wechselseitig imitieren und dabei eine räumliche Nähe zeigen, wie sie vorzugsweise bei solidarischen Partnern zu beobachten ist. Bereits die Implikationen des verwendeten Titels ‚Neophyten’ zeigen die Strategie, eine klassische Sphärendifferenz durch einen semantischen Transfer als überbrückbar zu behandeln. Der aus der Pflanzenwelt stammende Begriff meint dem puren Wortsinn nach ‚neu Gepflanztes’, mit den entsprechenden Konnotationen, die dieser Begriff mit sich führt. Pflanzen gehören dem Raum des Biologischen an, der sich vom Raum des Anorganischen prinzipiell unterscheidet. In den Bildern bezeichnet der Terminus Neophyten indessen technoide Apparate, die Baumstämme gewaltsam durchdringen oder denselben, wie bei jenem Verfahren der Veredelung von Obstbäumen, aufgepfropft sind. Die in die organischen Strukturen des Holzes implantierten Apparate zeigen indessen selbst doppeldeutige Formen, in denen die genannte Differenz zwischen Organischem und Anorganischem zurückgenommen scheint. Lassen manche der aufgepfropften zylindrischen Metallgebilde etwa an Radioröhren, Zündkerzen, Gewehrläufe denken, so erinnern sie zugleich an kolbenartige Samenträger tropischer Blüten; die konkaven Rundspiegel, die um diese Formen gruppiert sind, erscheinen dabei als zugehörige Blütenblätter. Technik imitiert Natur und macht auf diese Weise ihren naturfernen, artifiziellen Charakter vergessen. Diese Mimesis des Organischen durch anorganische Produkte findet ihre Antwort in einer für die Bilder nicht weniger virulenten Nachahmung, die in entgegengesetzter Richtung abläuft: Die Baumstämme sind bis auf kleine Reste entlaubt und verdorrt; ihr Absterben imitiert das Leblose der technischen Apparate. Beide Instanzen tauschen also Eigenschaften aus; doch die Interaktion impliziert ein ontologisches Ungleichgewicht unter den Tauschpartnern. Allein die Natur imitiert hier in substantieller Weise ihr Gegenüber, indem sie zum reinen Ding wird und als lebende Natur verschwindet, während sich der technische Apparat lediglich die bloße Oberfläche des organischen Wachstums aneignet. Die Dialektik, die hier inszeniert wird, steht im Zeichen des Toten. Der Komplex der Technik überzieht die sich zurückziehende Natur mit dem Deckmantel bloßer Phantasmen des organischen Wachstums. Stefan Fahrnländer verweigert in dieser überaus skeptischen Sicht auf die Welt der Apparate den bis in die Gegenwart hinein immer wieder mobilisierten Utopien der technischen Rationalität die Gefolgschaft. Dies mag verwundern, bedient er sich doch selbst eines avancierten technischen Mediums, denn sämtliche Bilder dieses Zyklus sind mit Hilfe eines leistungsfähigen 3D-Programms am Computer angefertigt. Die techno-organischen Symbiosen sind reine Bildschirmkonstrukte, ohne allerdings mit dem Anspruch versehen zu sein, mit Abbildern möglicher realer Objekte verwechselt zu werden: Das künstliche Bild wird in reflexiver Absicht als künstlich präsentiert. Dies entspricht durchaus jenem Verhältnis, in welches die dem Zustand des Todes zutreibende Dialektik von Natur und Technik einmündet. Den biomorphen Zylindern der so genannten Neophyten treten in den um sie gruppierten Hohlspiegeln ihre Abbilder, allerdings in einer verzerrten Gestalt entgegen. Die Technik geriert sich als belebtes und dabei souveränes Subjekt. Hier offenbart sich eine Struktur, in der die phantasmatischen Physiognomien der Apparate nur noch mit sich selbst, das heißt mit ihren bildhaften Reproduktionen zu tun haben. Diese selbstgenügsame, narzistische Ordnung trägt indessen den Keim ihrer Selbstzerstörung in sich: Hohlspiegel dienen nicht selten als Brenngläser, die im Focus ihrer Reflexionsbahnen bei entsprechenden Strahlungsquellen hohe und höchste Temperaturen entstehen lassen. Der im Zentrum der perforierten Zylinder lokalisierte rot glühende, offenbar Wärme emittierenden Kern lässt in diesem Sinne einen für den Apparat selbst problematischen Energiestau erwarten.